linketheorie - Der Podcast
Wir reden über den Kapitalismus, was an ihm schlecht ist und wie er alle Bereiche unseres Lebens beeinflusst. Wir sprechen darüber, wie wir die Welt um uns herum besser verstehen können und wie sie veränderbar ist. Dabei arbeiten wir linke Theorien und Argumente verständlich für alle auf – egal ob ihr schon Vorwissen habt oder erst neu einsteigt. Podcast der Seite »linketheorie« auf Instagram, Twitter und TikTok. Mit einem Abo auf Patreon könnt ihr unsere Arbeit unterstützen und erhaltet zusätzlich Zugriff auf Bonusfolgen und Recherchedokumente. Danke!
linketheorie - Der Podcast
Ep. #13 | Menschenrechte im Kapitalismus (Gespräch)
In dieser Gesprächsfolge zum Thema Menschenrechte sprechen wir über politische Menschenrechte und Demokratie im Kapitalismus sowie darüber, wie ihre Verwirklichung mit sozialen Menschenrechten zusammenhängt. Außerdem geht es um Menschenrechtsorganisationen und wie eine möglichst neutrale Institution für Menschenrechte aussehen könnte oder müsste.
Wir erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Wenn euch etwas fehlt, ihr Kritik, Anregungen oder auch Lob loswerden wollt, schreibt uns gerne unter linketheorie@proton.me.
Wir gehören keiner politischen Organisation an und erhalten auch keine Förderung, sondern arbeiten komplett unabhängig und ehrenamtlich neben Arbeit, Studium und unserem politischen Engagement. Deshalb freuen wir uns über jede kleine Unterstützung bei patreon.com/linketheorie oder unter ko-fi.com/linketheorie. Danke!
Hier findet ihr unsere Transkripte zu den einzelnen Folgen.
Anmerkung: im Podcast unterhalten sich zwei Personen. Diese werden nachfolgend als (L) und (Y) bezeichnet.
- Musik wird eingespielt –
(L) Hallo und herzlich willkommen zur neuen Folge von linketheorie. Ihr kennt uns, wir sind der Podcast, in dem wir über dem Kapitalismus reden, was an ihm schlecht ist und wie wir ihn überwinden können. Ich bin Lea und ich bedanke mich erst mal ganz herzlich bei allen, die uns auf unserem Aufruf gefolgt sind in – ich glaube es war die vorletzte Folge – ja auf jeden Fall, die uns darauf dann ein bisschen eine Rückmeldung gegeben haben zu unserem Podcast.
(Y) Hi, ich bin Yannic und ich kann mich da nur anschließen. Danke an alle für das Feedback, das Lob und auch für die Hinweise, die wir von euch bekommen haben. Das hier ist ja die letzte Folge aus unserer ersten Staffel, aber es wird auf jeden Fall weiter gehen danach und wir haben auch schon ein paar Ideen und mal schauen, wie wir das dann umsetzen. Aber jetzt erst mal rein in diese Folge.
(L) Ihr könnt es euch denken, wir wollen heute nochmal ein bisschen über das Thema Menschenrechte sprechen. Es geht heute vor allem um das Verhältnis von politischen und sozialen Menschenrechten und dann sprechen wir noch ein bisschen über Menschenrechtsorganisationen und wie so eine Organisation aussehen müsste.
(Y) Ja, als wir die letzte Folge aufgenommen haben dachten wir es uns schon fast. Es kam eine Nachricht, beziehungsweise eine Nachfrage. Und zwar geht es darum, um das Verhältnis von sozialen Menschenrechten und politischen Menschenrechten und um die Frage, ob soziale Menschenrechte wirklich so wichtig wären wie politische. Also vielleicht erst mal kurz zur Wiederholung: politische Menschenrechte, das sind ja so Rechte wie Pressefreiheit, Meinungsfreiheit und alles was politische Teilhabe betrifft. Und da ist jetzt eben die Frage, wenn man zum Beispiel wählen darf und die eigene Meinung frei äußern kann, dann kann man ja eigentlich alle anderen Rechte für sich selber auch durchsetzen. Also sollten wir doch die politischen Menschenrechte an erste Stelle setzen und alles andere wird sich dann schon ergeben, oder?
(L) Ja, das ist oft die Herangehensweise und das kann man erst mal so sehen, wenn man jetzt von einer perfekten Demokratie mit null Benachteiligung ausgeht. Und ihr merkt es vielleicht schon: das ist nämlich auch genau der Punkt. Wenn ich jetzt zum Beispiel auf der Straße leben muss, weil ich mir keine Wohnung leisten kann, wenn ich auch keinen Bildungsweg gegangen bin, in dem mir jemals das politische System, oder die Parteien erklärt wurden, dann ist umgekehrt auch die Wahrscheinlichkeit kleiner, dass ich später mal wählen gehe, oder wenn, dass ich dann die Partei wähle, die auch im Kleingedruckten von ihrem Parteiprogramm meine Interessen vertritt. Und von den Wahlplakaten und Wahlwerbungen kann man ja jetzt wirklich nicht sagen, dass da was drinsteht, was auch umgesetzt wird. Wir hatten mal auf Instagram eine Themenreihe gemacht, ganz allgemein so zu Teilhabe und Demokratie im Kapitalismus, also wer sich da noch ein bisschen reinfuchsen will, kann da mal reinschauen auf Instagram, das war so im Oktober 2021. Naja, auf jeden Fall zurück: kurz gesagt kann man sagen, dass soziale Menschenrechte überhaupt erst die Voraussetzung sind, damit Menschen auch ihre politischen Menschenrechte wahrnehmen können. Also das Menschenrecht auf Wohnung, auf Nahrung, auf Arbeit, auf Bildung und so weiter. Das sind ja überhaupt erst die Grundbedürfnisse. Wie soll ich denn ohne Bildung meine Meinungsfreiheit geschickt nutzen und einsetzen? Deswegen, wenn es keine soziale und wirtschaftliche Gleichheit gibt, dann können auch politische Menschenrechte nur ungleich war genommen werden. Aber ungleiche Rechte, im Umkehrschluss, sind keine Menschenrechte, weil Menschenrechte müssen ja jedem Menschen gleich zugutekommen.
(Y) Ja, wir sind da offensichtlich auf einer Linie. Ich würde auch sagen, die Klassenlage darf man nicht ausblenden, denn die Klassenlage bestimmt immer darüber, wie viele Möglichkeiten man dann eben hat, an der politischen Szene, am politischen Leben teilzuhaben. Und die Klassenlage ist eben nichts, was einfach nur noch dazu kommt, sondern das ist tief reingewoben in diese Menschenrechte und in die Umsetzung der Menschenrechte im kapitalistischen System. Wer zum Beispiel nichts zu essen hat, ohne Wohnung ist, oder keine Wohnung hat, der – das hast du gerade gesagt – wird weniger Zeit haben, wird weniger Kraft haben sich politisch zu engagieren und das beeinflusst dann auf ganz grundlegende Art, wie Menschenrechte tatsächlich umgesetzt werden können. Also, nur weil Menschen auf Papier das gleiche Recht haben, politisch Teil zu haben an einem System, heißt das immer noch nicht, dass sie auch tatsächlich die materielle Möglichkeit dazu haben. Also es gibt einerseits materielle Sachen, die das beeinflussen; der Lohn, wie anstrengend ist die Arbeit, wie viel Muse hat man danach noch, aber es gibt auch nochmal so kulturelle Aspekte, die da mit reinspielen. Zum Beispiel, welche Bildung haben Leute genossen? Leute die einen Hauptschulabschluss haben, oder keinen Hauptschulabschluss und generell keinen Schulabschluss haben, die – und das kann man statistisch auch nachvollziehen – die werden weniger sagen, dass sie sich für Politik interessieren, die werden weniger sagen, dass sie das Gefühl haben, irgendetwas verändern zu können und so weiter. Es geht also immer um die Frage, wer hat die Mittel und wer hat die Mittel nicht? Und wir werden da gleich auch nochmal genauer eingehen, aber reiche Menschen haben auch einfach viel mehr die Mittel dazu, ihre eigenen Menschenrechte durchzusetzen und sich vielleicht sogar über Menschenrechte hinwegzusetzen, weil Geld immer Macht bedeutet und durch Geld sogar Menschenrechte eingerissen werden können, ohne dass man große Konsequenzen dafür bekommt.
(L) Ja und da sind wir ganz einfach bei dem Punkt, wie lassen sich politische Menschenrechte überhaupt verwirklichen? Wir haben ja jetzt vor allem oft im letzten Podcast kritisiert, dass im Kapitalismus soziale Menschenrechte nicht so wirklich gut verwirklicht werden können, teilweise auch einfach dem kapitalistischen System widersprechen. Und du hast jetzt ein bisschen darauf hingewiesen, dass es auch Probleme mit politischen Menschenrechten gibt, vielleicht kannst du das nochmal ein bisschen ausführen, oder sind die besonders gut im Kapitalismus umsetzbar?
(Y) Ja voll gerne, weil Menschenrechte nicht das Gleiche sind in einem System, das auf Privateigentum, das auf Ausbeutung von Arbeitskraft und so weiter beruht, wie in einem System, das tatsächlich auf der wirtschaftlichen Gleichheit beruht, in dem die grundlegenden Bedürfnisse einfach gesichert sind. Die Menschenrechte, wenn wir sie jetzt mal in diesem kapitalistischen System auf ein Blatt Papier schreiben, dann können die sich in der Realität immer nur innerhalb von dem Rahmen von dem kapitalistischen System entfalten. Zum Beispiel, nehmen wir mal die freie Meinungsäußerung, die ist ja eine absolute Farce, wenn viele relevante Medien, oder Stiftungen, wie die Bertelsmann-Stiftung, die einfach extremen Einfluss auf die öffentliche Meinung haben, wenn diese Institutionen Menschen aus der kapitalistischen Klasse hinter sich stehen haben. Im Alltag wird uns ganz gerne vorgegaukelt, dass die ja nur irgendwie das besitzen, aber da jetzt keine Interessen wirklich hinter sind. Aber die Leute, die haben genau so wie alle anderen Menschen Interessen und diese Interessen werden sie durch ihre Medien, durch ihre Institution durchsetzen, werden die verbreiten und das müssen die nicht mal bösartig machen, sondern das ist eben deren gelebte Realität und das ist das Rationale, das Vernünftige aus ihrer Situation heraus. Und deswegen werden sie alles dafür geben, dass ihre Sicht der Gesellschaft verbreitet wird und selbst bei öffentlich-rechtlichen Sendern gibt es eigentlich immer einen Rahmen davon, was tatsächlich sagbar ist. Menschen, die da arbeiten, die werden ja geschult, die werden ausgewählt und werden dann gefördert und das werden sie vor allem, wenn sie die herrschende Meinung vertreten. Oder – mein Gott – dann können sie vielleicht noch ein bisschen nach links oder nach rechts neigen, aber wir als Marxist*innen, die tatsächlich offen ihre marxistische Meinung darstellen und die offen darauf hinwirken, dass dieses System umgewälzt wird, die werden eben selten an so prominente Stellen gesetzt, wenn sie dann ihre Meinung in den Medien vertreten.
(L) Und man sieht das ja auch. Ich glaube, das gibt es auch verschiedene Statistiken von Leuten, die zum einen journalistisch tätig sind, zum anderen aber auch so diese Journalismus-Schulen also in die Richtung besuchen, dass da wirklich Menschen aus dem gehobenen Milieu, also besitzende Menschen, ganz überrepräsentiert sind und migrantische Menschen unterrepräsentiert sind und so weiter und das trägt sich natürlich auch weiter fort.
(Y) Ja voll und jetzt gibt es natürlich ein paar Marxist*innen, die tatsächlich in den Medien irgendwie präsent sind, ich weiß nicht kennst du Honneth?
(L) Ne.
(Y) Ja, Honneth ist so ein Typ, auch so marxistisch gepinselt, aber der taucht zwar auf, aber der hat keine wirklich revolutionäre, keine materielle Konzeption vom Marxismus, sondern irgend so ein idealistisches Gewäsch. Und so Menschen können natürlich dann auftauchen, aber sobald du eben nicht in den Mainstream integrierbar bist, beziehungsweise tatsächlich radikale und materialistisch radikale Meinungen äußerst, dann wirst du da wahrscheinlich nicht auftauchen.
(L) Wobei ich das Gefühl habe, dass es bei öffentlich-rechtlichen noch ein bisschen besser ist, dass die wirklich schauen, dass sie auch zumindest ein bisschen eine Varianz haben, also das habe ich das Gefühl. Aber das geht natürlich bei zum Beispiel privaten Medien schonmal gleich gar nicht und die haben ja dann oft wirklich Millionen-Spender und haben super viel Geld, um ihre Öffentlichkeit zu schaffen und ihre Öffentlichkeit zu machen. Während irgendwie kleine Privatmenschen, wie jetzt zum Beispiel unser Podcast, aber auch viele andere kleine Bildungsprojekte von zum Beispiel linken Leuten, die das sich alles richtig hart erkämpfen müssen, weil sie eben keine Millionen-Spender hinter sich haben, nicht mal größere Kleinspender. Da hat man einfach eine andere Voraussetzung und klar haben wir die Möglichkeit, diesen Podcast zu machen. Wir werden nicht dafür verhaftet, dass wir hier unsere Ansichten darlegen und das ist natürlich – formal ist das Meinungsfreiheit, aber wenn das Geld so krass mit reinspielt, wer dich hört, wer dich sieht, wer dich liest und du auch zum Beispiel Social Media bezahlen kannst, damit du überall präsent bist und von auch gar niemandem übersehen werden kannst, dann sind das trotzdem nicht gleichberechtigte Meinungsfreiheiten und da wird einfach das Kapital und die Meinung der Bourgeoisie einfach ganz klar bevorteilt.
(Y) Ja, wobei ich selbst bei den öffentlich-rechtlichen Sendern – klar, die haben nochmal eine stärkere Varianz drin – ich glaube aber, dass das auf einer gewissen materiellen Gegebenheit basiert, dass Leute in gewissen Zeiten, wo das nicht gefährlich werden kann, die ihre Meinung äußern werden. Aber wenn wir zum Beispiel aktuell die Kriegssituation haben, dann werden Stimmen, die da rausfallen, oder die dagegen sprechen einfach nicht mehr so stark dort auftauchen. Also wenn es hart auf hart kommt, dann zählt immer nur die Meinung der Bourgeoisie, oder so eine liberale Meinung, die das gesamte System dann stützt.
(L) Ja, das stimmt, da würde ich dir auf jeden Fall zustimmen. Ich glaube auch, das geht nur bis zu einem bestimmten Punkt, an dem es nicht gefährlich werden kann.
(Y) Ich bin letztens bei Instagram auf ein Projekt von der Bundeswehr gestoßen. Und zwar bieten die Medientraining an. Wo Leute, die irgendwie jetzt nichts gegen die Bundeswehr haben und die in den Medien unterwegs sind, die werden sich freuen.
(L) Machen wir, oder?
(Y) Ja, auf jeden Fall! Die werden sich einfach freuen, da Medientraining zu bekommen, mal so ein bisschen informiert zu werden, aus einer offiziellen Perspektive. Und die Bundeswehr, die hat einfach die Mittel dafür und da ist es eine super Gelegenheit einfach ihre Einstellung zu vermitteln. Aber natürlich, wie bei der kapitalistischen Klasse, auch die Bundeswehr, oder die Menschen, die in der Bundeswehr sind, haben bestimmte Interessen, die haben eine bestimmte Stellung innerhalb der Gesellschaft. Aus dieser Stellung heraus werden sie ihre Meinung bilden und das ist dann die Meinung, die Leuten weitergegeben wird, in so Medientrainings. Oder – das haben wir glaube ich im Podcast glaube ich auch schon mal angesprochen – der Fakt, dass ein Unternehmen kostenloses Schulmaterial anbietet, was völlig absurd ist, aber die Lehrer*innen haben nicht die Zeit, nicht das Geld, um sich selber darum zu kümmern und dann kommen Unternehmen an und sagen „Hier, wir haben Schulmaterial für euch, das könnt ihr verwenden“ und die Lehrer*innen sind natürlich super dankbar dafür. Aber man kann sich vorstellen, in diesem Schulmaterial, da wird sicher keine antikapitalistische Propaganda verbreitet, sondern es wird eine kapitalistische Logik vermittelt und es wird vor allem der Kapitalismus naturalisiert, also als natürlich dargestellt und vermittelt, nach welcher Logik das funktioniert, schon in den kleinsten Aufgaben. Um da mal einen Strich drunter zu ziehen: ich glaube, wir dürfen bei sowas niemals vergessen, an erster Stelle kommt das Materielle, also die Struktur, die kapitalistische Logik und diese Struktur, dieses Materielle, die kapitalistische Logik, bestimmt dann immer wie Menschenrechte umgesetzt werden, wie sie in der Gesellschaft unter verschiedenen Mitgliedern verteilt werden, wer sie tatsächlich ausüben kann, wer sie auf welche Weise ausüben kann und so weiter. Aber kommen wir nochmal zur dritten und letzten Frage. Und zwar ist eine Person auf uns zugekommen, nochmal mit der Frage, wie es denn mit der Ebene von Menschenrechtsorganisationen selber aussieht, also zum Beispiel Amnesty. Setzen die sich mit den Menschenrechten, beziehungsweise auch der Gefahr von einem imperialistischen Missbrauch von Menschenrechten kritisch auseinander? Du hast dich ja ein bisschen stärker in das Thema eingearbeitet, als ich.
(L) Ja, du hast Amnesty International genannt, das war ja glaube ich auch in der Frage, die uns geschrieben wurde. Das kommt einem ja sofort in den Sinn bei Menschenrechtsorganisationen, das ist ja auch DIE große Menschenrechtsorganisation, die einem gleich einfällt und wir müssen an der Stelle ganz ehrlich sein, wir haben die Frage gestern zugeschickt bekommen und machen jetzt heute den Podcast und haben es bis jetzt leider nicht noch geschafft, da uns jetzt nochmal hinzusetzen, die Organisationsstrukturen oder sowas anzuschauen. Aber ein bisschen was könnte ich jetzt dazu trotzdem sagen. Also ich weiß zum Beispiel, dass Amnesty sich vor allem an der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte orientiert.
(Y) Ja, über die allgemeine Erklärung der Menschenrechte hatten wir ja letztes Mal schon ein bisschen gesprochen. Das war die Erklärung, die kurz nach dem zweiten Weltkrieg entstanden ist und die dreht sich ja vor allem um die bürgerlichen, also die politischen Menschenrechte und auch zum Beispiel das Menschenrecht auf Eigentum, das wir ja ausführlich kritisiert haben.
(L) Ja, die Konzentration auf die allgemeine Menschenrechtserklärung ist schon wirklich ein bisschen biased, also voreingenommen. Man kann schon sagen, es wäre ausgewogener sich einfach vor allem auf die zwei großen Menschenrechtspakte, also den Sozialpakt und den Zivilpakt, die ja auch vor allem im Völkerrecht so verankert sind, sich auf die beiden zu konzentrieren, weil dann wären soziale und politische Menschenrechte quasi gleichberechtigt nebeneinander. Und außerdem sind in den beiden Pakten auch die kollektiven Menschenrechte, zum Beispiel das Recht auf Selbstbestimmung, nationale Souveränität so Rechte, die sich Völker in den antikolonialen Kämpfen erkämpft haben, die sind da auch noch mit drin. Das wäre jetzt mal so der erste Punkt. Meine Einschätzung allgemein von Amnesty und ich würde auch sagen von Human Rights Watch, ist dass es vor allem westliche Institutionen sind. Also zum Beispiel bei Amnesty gibt es ja schon auch Kritik an den USA und ihren Verbündeten. Zum Beispiel wird Folter in Guantanamo kritisiert und auch der Fall Julian Assange wird als Angriff auf die Pressefreiheit kritisiert, also sie sind jetzt auch nicht blind komplett für westliche Menschenrechtsverbrechen, zumindest nicht, wenn sie innenpolitisch sind. Ich glaube zum Beispiel die Todesstrafe wird auch kritisiert in den USA.
(Y) Ja, aber es fällt ja eigentlich schon auf, dass Amnesty extrem hart mit denen ins Gericht geht, die Gegner von den USA und vom Westen sind und die Außenpolitik zum Beispiel von den USA ist ja nicht wirklich Teil von der Kritik, oder?
(L) Ja und genau das meine ich damit, wenn ich sage, das sind eher westliche Organisationen. Also die sind da schon auf jeden Fall eindeutig biased. Also das kann man schon erkennen, dass die da auch ihren politischen Standpunkt in den Ländern haben, wo sie auch vor allem verankert sind. Vielleicht noch was Persönliches: ich war selber mal in einer Menschenrechtsorganisation, also engagiert in einer Hochschulgruppe. Ich sag jetzt nicht welche, weil ich auch rechtlich nicht weiß, wie viel man da ausplaudern darf. Auf jeden Fall, dort wo ich war, da gab es noch eine andere Jugendgruppe mit der wir zusammengearbeitet haben und die wollte eine kleine Demo vor der US-Basis Ramstein machen. Also das ist eine Militär-Basis der USA in Deutschland. Auf jeden Fall wurde das dann intern von oben gecancelt, also nicht erlaubt und dafür gab es auch einfach keine Begründung. Und das sind so Sachen, die wollten es sich vielleicht nicht mit den USA verscherzen, vielleicht waren sie auch mit denen verbandelt, keine Ahnung. Offiziell sind sie auf jeden Fall unabhängig. Und so sehe ich inzwischen auch die meisten großen Menschenrechtsorganisationen. Also die vor allem westlich sind und das merkt man einfach auch in dem, was sie kritisieren und was lieber nicht. Ich glaube das ist einfach so, wenn eine Organisation aus einer Struktur rauskommt, die schon voreingenommen ist, dann kann auch das, was sie sich anschaut, wie sie es sich anschaut, nur voreingenommen sein. Hier würden ja zum Beispiel Leute genauso sagen, wenn wir jetzt zum Beispiel eine chinesische Menschenrechtsorganisation hätten, die vor allem, oder vielleicht auch nur Menschenrechtsprobleme in Europa kritisiert, dass die zumindest nicht neutral sind, dass sie vielleicht die Menschenrechtsprobleme richtig kritisieren, aber eben einseitig. Und so würde ich das auch bei den großen westlichen Menschenrechtsorganisationen sagen. Und wenn eine Organisation sowas nachvollziehen kann, es wäre ja auch ein Ziel, dass es sowas gibt global, dann kann das aber nur sein, wenn sie wirklich politisch unabhängig sein kann. Aber wie soll das eine Organisation sein, die ständig Spender suchen muss und damit ja auch indirekt käuflich ist und beeinflussbar.
(Y) Hast du eine Idee, wie man so eine unabhängige Überprüfung aussehen lassen könnte, oder gibt es da schon was Besseres als Amnesty zum Beispiel?
(L) Ja, eine ganz neutrale und objektive Institution gibt es da auf jeden Fall nicht, aber am nächsten kommt wahrscheinlich noch der UN-Menschenrechtsrat hin, aber auch da gibt es noch viel Luft nach oben. Ich denke, wenn sowas überhaupt neutral beurteilt werden kann, dann muss es eine Institution sein, deren Finanzierung erst mal unabhängig ist. Also das kann zum Beispiel passieren über Pflichtbeiträge von Staaten, was dann nochmal vermittelt bezahlt wird, also zum Beispiel vermittelt über die UN, die vereinten Nationen. Und die Finanzmittel müssen dann auch unabhängig von den Ergebnissen sein. Also es kann nicht sein, dass die USA zum Beispiel das Recht haben, dann ihre Beiträge nicht zu bezahlen, wenn sie kritisiert werden.
(Y) Ja, das gilt ja nicht nur für Staaten, dass die Finanzmittel unabhängig von Ergebnissen sein müssen, sondern es darf dann generell keine Spenden eigentlich geben, oder? Weil sonst kommt – weiß nicht – irgendwie Elon Musk und kauft sich dann seine Lithium-Minen in die Menschenrechte ein, oder eben – wie du das sagst – Staaten kaufen sich frei, das darf natürlich überhaupt nicht sein. Und was ich mir auch noch denke: da müssten ja eigentlich dann auch nochmal auf jeden Fall alle Staaten repräsentiert sein, egal ob zum Beispiel über entsendete Wissenschaftler*innen, oder über normale Delegierte.
(L) Ja und umgekehrt dürfen so Untersuchungskommissionen – oder wie man es auch nennen will – dürfen natürlich auch nicht im Zusammenhang mit den Ländern stehen, die sich irgendwie in einem wirtschaftlichen oder einem militärischen Konflikt mit dem Land befinden. Also es müssen einfach Menschen aus unparteiischen Regionen sein, natürlich auch Wissenschaftler*innen, die die Vermutung nahelegen, dass sie das objektiv beurteilen können, weil sie auch sonst in keinem Zusammenhang mit Konfliktpartnern sind, zum Beispiel. Ja und natürlich ganz wichtig: das ist ja nicht nur in einem Menschenrechtsrat oder so wichtig, es muss natürlich auch die Möglichkeit geben, dass wenn man so ein Organ hat, das aufgebaut wurde und das eine Möglichkeit zu einer Neutralität bietet, oder das neutralste, was es bisher gibt, was möglich ist, dann muss das auch die Möglichkeit haben, dass es tatsächlich Sanktionierungen geben kann, dass es Folgen hat für die Länder, oder Unternehmen, die Menschenrechte brechen. Weil das bringt alles nichts, wenn wir da super viel investieren und deren Berichte werden aber still gestellt in den Medien und den Ländern passiert auch überhaupt nichts. Also sowas muss natürlich auch gegeben sein.
(Y) Und damit sind wir wieder am Ende von unsere Gesprächsfolge angekommen. Wir hoffen wie immer, dass es euch ein bisschen was gebracht hat und dass ihr auch beim nächsten Mal wieder einschaltet.
(L) Und wo wir schon beim Thema „nächstes Mal“ sind, gleich noch die Vorwarnung: ihr werdet jetzt ein paar Wochen nichts von uns hören. Wir haben ja schon angekündigt, dass wir mit dieser Folge die erste Staffel beenden und gehen deswegen in unseren Podcast-Urlaub.
(Y) Ja, obwohl Urlaub da ein bisschen irreführend ist, glaube ich, weil wir in der Zeit noch ein paar andere Projekte haben, an denen wir arbeiten werden. Aber keine Angst, ihr hört auf jeden Fall von uns, zumindest bei Instagram werdet ihr immer mal ein bisschen was von uns mitbekommen, wenn ihr uns da teilt. Und wie jedes Mal kommt von uns noch die Bitte, dass ihr uns weiterempfehlt, uns auf Social Media teilt und uns fünf Sterne gebt. Vor allem als linker Podcast hat man es ja manchmal mit Menschen zu tun, die uns schlecht bewerten, weil sie etwas gegen linkes Denken haben und da helfen uns so Bewertungen einfach mega gefunden zu werden.
(L) Ja, wenn ihr dann darüber hinaus noch Lust habt, uns mehr zu unterstützen, dann könnt ihr uns gerne eine kleine Spende über ko-fi schicken. Wir machen den Podcast ja komplett kostenlos und man bekommt ja auch von den Streaming-Diensten nichts von ihrem Gewinn, den sie mit uns machen, ab. Ja und auch unsere verschiedenen Kanäle und Hilfsmittel bringen uns regelmäßige Kosten ein. Trotzdem ist es natürlich sehr wichtig, dass das neue Medium, der Podcast, nicht einfach von den eh schon großen Medienmachern gekapert wird, weil wir gerade als Linke eine Gegenöffentlichkeit brauchen. Ja, genau deswegen freuen wir uns über jede kleine finanzielle Unterstützung, natürlich nur, wenn ihr es habt und möchtet. Und den Link findet ihr dazu in den Shownotes.
(Y) Dann bleibt uns jetzt eigentlich nur noch zu sagen: bleibt klassenkämpferisch und organisiert euch, während wir weg sind fleißig weiter mit euren Genossen und Genossinnen, denn wir haben noch vieles zu tun, um zum Sozialismus zu kommen. Dann sehen wir uns bei der nächsten Folge, macht es gut.
(L) Wir grüßen dieses Mal Karl Marx und hoffen, dass er auch ohne unsere Input-Folgen ein paar gute Ideen bekommt. Vielleicht mal ein Buch über die Wirtschaft?
- Musik wird abgespielt -