linketheorie - Der Podcast

Ep. #16 | Der dritte Band vom Kapital (Theorie)

linke theorie

Wir bauen heute auf dem Wissen aus unserer letzten Folge auf und schauen uns ein paar kompliziertere Themen an: Von der Zusammensetzung des Kapitals, über die einheitliche Profitrate bis zum Preis von Waren. Anschließend beschäftigen wir uns noch mit Themen, die um die Werttheorie herumfliegen. Wir sprechen das Transformationsproblem an, die produktive Arbeit und schließlich die Frage, ob die ökonomische Theorie von Marx bewiesen oder widerlegt ist.

Die Arbeitswerttheorie von Marx ist die Grundlage für ein gutes Verständnis vom Marxismus. Mit ihr verstehen wir nicht nur das kapitalistische System besser, sondern können auch andere Bereiche unserer Gesellschaft anders analysieren. Mit so Werkzeugen ausgerüstet, kommen wir zu einem wissenschaftlichen Verständnis von den Möglichkeiten und Schwierigkeiten von einem zukünftigen Sozialismus.

Wir erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Wenn euch etwas fehlt, ihr Kritik, Anregungen oder auch Lob loswerden wollt, schreibt uns gerne unter linketheorie@proton.me.

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Hier findet ihr unsere Transkripte zu den einzelnen Folgen.

Weiterlesen:
Marx: Kapital Bd. 1-3.
Marx: Lohn, Preis, Profit.
Marx: Lohnarbeit und Kapital.
Marx: Ergänzungen und Veränderungen zum ersten Band des „Kapitals" (Dezember 1871-Januar 1872).
Marx: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie.
Marx: Kritik der politischen Ökonomie.
Marx: Theorien über den Mehrwert.

Conrad: Die Todsünde der Nationalökonomie.
Fröhlich: Die Aktualität der Arbeitswerttheorie. Theoretische und empirische Aspekte.
Harvey: Marx »Kapital« lesen.
Heinrich: Die Wissenschaft vom Wert. Die Marxsche Kritik der politische Ökonomie zwischen wissenschaftlicher Revolution und klassischer Tradition.
Heinrich: Kritik der Politischen Ökonomie. Eine Einführung.
Krämer: Kapitalismus verstehen. Einführung in die Politische Ökonomie der Gegenwart.
Krüger: Allgemeine Theorie der Kapitalakkumulation.
Krüger: Politische Ökonomie des Geldes. Geld, Währung, Zentralbankpolitik und Preise.
Krüger: Monetäre Werttheorie – eine contradictio in adjecto.
Krüger/Müller: Das Geld im 21. Jahrhundert.
Mandel: Marxistische Wirtschaftstheorie.
Wendt: Politische Ökonomie. Ein Einstieg für Neugierige.

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Ep.#16 – Der dritte Band vom Kapital (Theorie)

Anmerkung: im Podcast unterhalten sich zwei Personen. Diese werden nachfolgend als (L) und (Y) bezeichnet.

 

- Musik wird eingespielt – 

(L) Hier sind wir wieder mit einer neuen Folge von linketheorie, dabei dürft ihr uns beiden zuhören, wie wir über den Kapitalismus reden, was an ihm schlecht ist und wie wir ihn überwinden können. Ich bin Lea, für mich sind nicht-männliche Pronomen ok.

(Y) Und ich bin Yannic und benutze männliche Pronomen. Wer letztes Mal zugehört hat, kann sich hoffentlich noch daran erinnern, dass wir so ein bisschen über die Theorie vom Arbeitswert bei Marx gesprochen haben und dabei ging es eigentlich vor allem um so ein paar Inhalte, die Marx im ersten Band von „Das Kapital“ besprochen hat. Das sind die ganz grundlegenden Basics, aber wir haben ja schon angedeutet, dass es nochmal mehr zu erzählen gibt. Und um uns ein kleines bisschen tiefer in den riesigen Berg der Kritik der politischen Ökonomie zu graben, schauen wir uns heute mal ein paar fortgeschrittenere Themen an. Genau, was haben wir denn da Schönes auf dem Tablett?

(L) Heute geht es vor allem um die Inhalte aus dem dritten Band vom Kapital. In dem kommen nämlich noch ein paar wichtige Punkte auf, die die Theorie vom Wert erst so richtig vollständig machen. Dabei geht es dann auch um die Frage, wie der Wert, von dem wir bis jetzt gesprochen haben, den Preis beeinflusst, mit dem wir es ja eigentlich zu tun haben. 

(Y) Und an der Stelle werden wir dann auch nochmal kurz auf das Transformationsproblem eingehen. Vielleicht habt ihr davon schon mal gehört. Das werden wir aber nicht ausführlich machen, da bräuchte es mindestens eine eigene Folge zu, also falls das überhaupt im Rahmen von einem Podcast möglich ist. Mal schauen, das werden wir in der Zukunft rausfinden.

(L) Ja und anschließend fragen wir uns noch kurz, ob die Theorie von Marx eigentlich widerlegt, oder bewiesen wurde. Das ist ja eine besonders spannende Frage, weil da von allen Seiten die heftigsten Antworten kommen. Eigentlich hatten wir noch ein paar mehr Themen für die Folge heute geplant, aber ich glaube, was wir jetzt für heute drin haben, das ist auch so schon ganz schön anstrengend. Gleich vorneweg die Warnung, dass wir uns heute wirklich mit fortgeschritteneren Themen und Begriffen auseinandersetzen. Falls ihr gerade erst damit anfangt, euch in die Kritik der politischen Ökonomie von Marx reinzuarbeiten, dann kann es sein, dass euch die Inhalte und Begriffe heute ein bisschen überfordern. Aber lasst euch davon nicht abschrecken, weil mit der Zeit wächst man da einfach in solche Ideen rein, dann könnt ihr auch jederzeit wieder auf die Folge zurückkommen und das wiederverwenden.

(Y) Ja, bevor wir jetzt gleich in das Thema einsteigen, würde ich ganz gern noch einen kurzen Werbeblock für uns machen, den wir normalerweise immer an das Ende stellen. Ihr hört ja gerade unseren Podcast, der bald schon ein Jahr alt wird und neben dem Podcast machen wir außerdem noch Infoposts zu linker Theorie auf Instagram und wir arbeiten auch daran, Videos zu den Themen zu animieren und da ist ein erstes Video auch schon rausgekommen. Wir machen das praktisch als zwei Einzelpersonen, also Lea und ich und wir bekommen kein Geld dafür, außer wenn uns jemand eine Spende dalässt. Allerdings haben wir gleichzeitig regelmäßige Ausgaben, also für Hosting vom Podcast, für Grafikprogramme, für Videoanimationssoftware und für verschiedene andere Ressourcen, für die wir Rechte erwerben müssen. Wir freuen uns also, falls ein paar von euch uns dabei helfen können, dass wir unsere Ausgaben zumindest decken können, weil wir eigentlich regelmäßig in den Miesen sind. Also natürlich nur, falls euch das selber nicht weh tut und ihr euch das leisten könnt.

(L) Aber damit jetzt genug Sachen zu uns. Ich habe ja vorhin gesagt, dass wir uns heute den Inhalt aus dem dritten Band vom Kapital anschauen. Aber was ist denn mit dem zweiten Band, Yannic?

(Y) Ja, einen zweiten Band vom Kapital gibt es natürlich auch. Aber der zweite Band ist ehrlich gesagt das ungeliebte Kind der drei Bände vom Kapital. Im ersten Band haben wir unglaublich viele spannende Punkte zur Ausbeutung der Arbeitskraft und zur Entwicklung von dieser Ausbeutung. Und im dritten Band kommen dann nochmal wichtige Punkte zur Werttheorie und zum kapitalistischen System und zu den Problemen, die da irgendwie entstehen. Aber im zweiten Band fehlen eigentlich großteils so kämpferische und mitreißende Themen, in dem Band erweitert Marx nämlich so ein bisschen die Analyse vom ersten Band und baut eigentlich so eine Art Brücke zu den Inhalten vom dritten Band auf. Im ersten Band ging es ja um die Produktion von Waren und im zweiten Band geht es dann um die ganz grundlegende Tatsache, dass man natürlich, wenn man produzieren möchte, Arbeitende braucht, man braucht Materialien, man braucht Maschinen und so weiter und das muss man kaufen. Und am Ende, wenn man etwas produziert hat, muss man das Endprodukt natürlich auch wieder verkauft bekommen und das ist gar nicht immer so einfach. Marx sagt praktisch im zweiten Band, dass das Kapital da verschiedene Kreisläufe durchmacht. In Form von Geld kommt es zum Markt, um alles das zu kaufen, was es zur Produktion braucht. Als produktives Kapital wird es dann in der Produktion angewandt, um eine Ware herzustellen. Und als Warenkapital tritt es dann wieder auf den Markt, um wieder in mehr Geldkapital als vorher verwandelt zu werden. Also Geldkapital, produktives Kapital und Warenkapital. Und die Zeit, die das Kapital für diese Bewegung braucht, also die Zeit vom Beginn bis zur Verwertung, das nennt Marx da die Umschlagszeit, aber die Zeit ist natürlich nicht für alle Elemente vom Kapital gleichlang. Also nehmen wir mal Rohstoffe zum Beispiel, die kommen direkt in die Ware und schlagen dann relativ schnell um, mit dem Begriff der Umschlagszeit. Eine Maschine aber zum Beispiel, die benutzt wird, die nutzt sich ja im Gegensatz dazu eher nach und nach ab. Bis man das Geld dann irgendwann wieder eingenommen hat, das am Anfang zur Anschaffung nötig war. Und im letzten Teil vom zweiten Band geht es dann auch noch um das gesellschaftliche Gesamtkapital und wie das alle miteinander verwoben ist.

(L) Das sind alles auch wichtige Begriffe und Ideen, die man sich mal genauer anschauen sollte, aber weil es bei uns in der letzten Folge und in dieser hier um den Wert geht und wir auch nur begrenzt Zeit haben, lassen wir das heute mal weg.

(Y) Dann steig ich jetzt einfach mal mit einem harten Schnitt ein. Wir haben ja letztes Mal schon darüber gesprochen, dass wir es in der Produktion mit zwei verschiedenen Teilen zu tun haben, wenn Waren produziert werden. Also einerseits gibt es die Maschinen, die Rohstoffe, die Materialien und so weiter und die nennt man ja das konstante Kapital. Und andererseits müssen natürlich nochmal Menschen dazu kommen, die das alles bedienen und die die Arbeit machen und so weiter. Den Teil nennt man dann das variable Kapital. Und die beiden Teile, also das konstante und das variable Kapital, die stehen in einem bestimmten Verhältnis zueinander, für die Marx dann drei relativ komplizierte und auch ein bisschen unnötig verwirrende Begriffe eingeführt hat. 

(L) Genau und die schauen wir uns jetzt mal genauer an. Und zwar führt Marx drei Konzepte ein: die technische Zusammensetzung vom Kapital, die Wertzusammensetzung vom Kapital und die organische Zusammensetzung vom Kapital. 

(Y) Ok, ihr merkt schon, es klingt erst mal ziemlich kompliziert und wir gehen die jetzt aber alle mal einzeln durch und dann wird das vielleicht ein bisschen verständlicher. Also steigen wir mal mit dem ersten Begriff vielleicht ein. Was ist denn die technische Zusammensetzung vom Kapital?

(L) Das versteht man vielleicht am besten, wenn wir mal zwei Betriebe nebeneinanderstellen. Links ein Bäckereibetrieb und rechts eine Seifenfabrik. Im Bäckereibetrieb gibt es einen Ofen, aber ansonsten nicht wirklich Maschinen. Es arbeiten zehn Menschen zusammen in dem Betrieb und backen ihre Brote und Brötchen. In der Seifenfabrik ist das ein bisschen anders. Da arbeitet nur ein einziger Mensch und das meiste wurde mit Maschinen automatisiert und weil die meisten Arbeitsschritte automatisiert wurden, geht es auch relativ schnell. Man kann viel produzieren und auch viel Material verarbeiten.

(Y) Wir haben also auf der einen Seite wenig Maschinen und Material auf viele Arbeitende und auf der anderen Seite viele Maschinen und viel Material, aber nur eine arbeitende Person.

(L) Richtig. Bei beiden Betrieben haben wir also ein bestimmtes Verhältnis zwischen konstantem und variablem Kapital, beziehungsweise zwischen toter und lebendiger Arbeit. Und es geht hier nicht darum, wie viel das alles jeweils wert ist, oder wie viel es kostet, es geht nur darum, wie viel von den beiden Teilen stofflich da ist und genau das Verhältnis, dieses stoffliche Verhältnis, nennt Marx die technische Zusammensetzung. Je mehr konstantes Kapital jeweils vorhanden ist, desto höher ist dann auch die technische Zusammensetzung.

(Y) Ok, so viel erst mal zur Theorie von der technischen Zusammensetzung. Und weil wir heute über die Grundlagen hinausgehen wollen, mach ich mal eine kleine Bemerkung: das Konzept von der technischen Zusammensetzung ist nämlich nicht ohne Kritik geblieben. Dafür können wir uns zum Beispiel anschauen, was Michael Heinrich in seinem Buch „Die Wissenschaft vom Wert“ über den Begriff schreibt.

(L) Für diejenigen unter euch, die Michael Heinrich nicht kennen: Heinrich ist heute einer der einflussreichsten Marxist*innen in Deutschland und auch darüber hinaus. Vor allem mit seiner Einführung in die drei Bände vom Kapital, hat er ziemlichen Einfluss darauf, wie Marx gelesen wird.

(Y) Genau und Heinrich kritisiert, dass hier eigentlich ganz unterschiedliche Sachen miteinander in ein Verhältnis gebracht werden. Wenn wir zum Beispiel eine Dampfmaschine mit 20 Kilo Kohle neben einen Dieselmotor mit zehn Liter Dieselöl stellen, dann macht es eigentlich keinen wirklichen Sinn hier stofflich etwas miteinander zu vergleichen. Wir müssen erst mal festlegen, worauf es überhaupt ankommt. Also geht es hier um das Gewicht, was irgendwie verglichen wird, geht es um die Größe von den zwei Maschinen, mit den ganzen Materialien, die reingesteckt werden. Das bleibt bei dem Konzept eigentlich ziemlich unklar und – also zur Zeit von Marx war es vielleicht noch klarer, dass man sagen konnte „ja ok, wenn die Maschinen halt leistungsfähiger werden, dann werden sie auch größer und gewinnen irgendwie an Masse“, aber heute kann man das eigentlich nicht mehr unbedingt sagen. Generell kommt man bei dem Begriff, sagt Heinrich zumindest, schnell dazu, dass wir Äpfel und Birnen miteinander vergleichen. Wenn wir zwei Sachen nebeneinander stellen, die stofflich nicht so viel gemeinsam haben, dann wird es einfach schwierig, irgendwas Gehaltvolles über die Unterschiede bei der Menge zu sagen. 

(L) An der Stelle noch eine Bemerkung von uns persönlich: Versucht die technische Zusammensetzung vielleicht eher als ein Instrument für Veränderung in der Zeit zu verstehen, als für Vergleiche zwischen unterschiedlichen Betrieben. Werden aus einem Betrieb Arbeitende geschmissen, wenn neue Maschinen zum Einsatz kommen, werden mit der Zeit mehr Materialien verbraucht und so weiter. Also bei der technischen Zusammensetzung nicht unbedingt Äpfel und Birnen vergleichen, sondern schauen, wie der Apfel sich mit der Zeit verändert. Aber das nur so als kleine Hilfestellung. 

(Y) Dann können wir vielleicht mal zum nächsten Begriff kommen, nämlich zur Wertzusammensetzung. Also nicht mehr die technische Zusammensetzung, sondern die Wertzusammensetzung. Wir haben ja vorhin gesagt, dass es bei der technischen Zusammensetzung gerade nicht darum geht, wie viel die einzelnen Sachen jetzt Wert sind und wie viel sie kosten. Aber bei der Wertzusammensetzung geht es ja genau um das.

(L) Ja und dafür schauen wir uns am besten nochmal die Bäckerei und die Seiferei an. Sagen wir mal, dass in beiden Betrieben 10.000€ investiert wurden. Die 10.000€ sind aber ganz unterschiedlich verteilt. In der Bäckerei wird 9000€ für den Lohn ausgegeben und nur 1000€ für Maschinen, Mehl und so weiter. In der Seiferei ist es genau andersrum. Da wird nur 1000€ für den Lohn ausgegeben und der Rest für Elemente vom konstanten Kapital. 

(Y) Also geht es hier ums Verhältnis vom Wert.

(L) Genau. Wir schmeißen Wert und Preis mal kurz zusammen und sagen, dass es hier um das Verhältnis vom Wert vom konstanten Kapital zum Wert vom variablen Kapital geht. Marx nennt genau das die Wertzusammensetzung vom Kapital.

(Y) Bei den beiden Betrieben kann man ganz gut erkennen, dass sowas auch oft irgendwie mit dem Zustand zusammenhängt, in dem ein Produktionszweig oder ein Betrieb sich gerade befindet. Wenn einfach schon super viel automatisiert wurde, wie zum Beispiel in der Seiferei, von der wir gerade gesprochen haben, dann wird wahrscheinlich auch die Wertzusammensetzung steigen. Einfach weil nicht mehr so viel für Arbeiter*innen ausgegeben wird und mehr für Maschinen und mehr für Material. 

(L) Genau, wobei man da nochmal ein bisschen aufpassen muss. Die Wertzusammensetzung kann natürlich steigen, weil Arbeiter*innen durch Maschinen ersetzt werden. Aber es kann auch andere Gründe geben. Sagen wir zum Beispiel, dass durch die aktuelle Krise bei den Energiepreisen mehr für Strom ausgegeben werden muss. Das fällt ja auch unter das konstante Kapital, also würde die Bäckerei jetzt zum Beispiel mehr für konstantes Kapital ausgeben und die Wertzusammensetzung würde steigen. Aber das liegt dann gerade nicht daran, dass mehr Strom, mehr Maschinen, oder mehr Material verbraucht wird, sondern in dem Fall liegt es tatsächlich einfach daran, dass Teile vom konstanten Kapital teurer geworden sind. 

(Y) Also Sachen sind irgendwie teurer geworden und dadurch hat sich diese Wertzusammensetzung verändert, aber an der technischen Zusammensetzung hat sich nichts geändert, meinst du?

(L) Das ist genau der Punkt. Und an der Stelle führt Marx dann nochmal einen dritten Begriff ein, nämlich die organische Zusammensetzung. Und das ist nochmal ein bisschen komplizierter. Am besten stellt man sich das vor wie eine Brille, durch die man die Wertzusammensetzung anguckt. Und diese Brille blendet alle Faktoren aus, die die Wertzusammensetzung verändern, aber nicht durch eine Veränderung in der technischen Zusammensetzung kommen.

(Y) Das ist glaube ich noch ein bisschen zu kompliziert, aber machen wir nochmal ein Beispiel. Wenn im Beispiel von vorhin die Energiepreise steigen, verändert das ja die Wertzusammensetzung. Weil der Wert vom konstanten Kapital steigt, aber der vom variablen Kapital erst mal gleichbleibt. 

(L) Aber an der Zusammensetzung im Produktionsprozess hat sich eigentlich nichts verändert. Es werden immer noch so viele Maschinen und so viel Material wie vorher verbraucht, vielleicht sogar weniger, aber der Wert vom konstanten Kapital steigt trotzdem.

(Y) Und das wird die organische Zusammensetzung jetzt nicht verändern, oder?

(L) Genau, die organische Zusammensetzung steigt erst dann, wenn tatsächlich mehr Maschinen oder mehr Material eingesetzt werden und das dann auch den Wert vom konstanten Kapital erhöht. Es müssen also die beiden Bedingungen erfüllt sein, bevor sich an der organischen Zusammensetzung etwas ändert.

(Y) Vielleicht kann man sich das ein bisschen so vorstellen, als wäre die organische Zusammensetzung wie so ein Alarm im Kontrollraum, der nicht sofort angeht, sobald zum Beispiel der Wert vom konstanten Kapital gegenüber dem variablen Kapital steigt, sondern der erst nochmal checkt, ob das tatsächlich nur daran liegt, dass Sachen wertvoller, oder weniger wertvoll geworden sind. Oder ob hier tatsächlich mehr Maschinen oder mehr Arbeiter*innen eingesetzt werden und erst dann, wenn die Wertzusammensetzung steigt, weil auch tatsächlich mehr Maschinen oder mehr Material eingesetzt wird, erst dann geht der Alarm los.

(L) Also nochmal zur Wiederholung: Wir haben die technische Zusammensetzung, bei der es um das stoffliche Verhältnis von toter und lebendiger Arbeit geht. Dann haben wir die Wertzusammensetzung, bei der es darum geht, wieviel Wert beim konstanten Kapital und wie viel Wert beim variablen Kapital gegenüberstehen. Und als drittes haben wir die organische Zusammensetzung, die beides verbindet. Und bei der organischen Zusammensetzung geht es darum, Veränderungen der Wertzusammensetzung zu beschreiben, die sich auf Veränderungen in der technischen Zusammensetzung zurückführen lassen. 

(Y) Mit so komplizierten Begriffen sind wir jetzt perfekt ausgerüstet, um die letzten Schritte in der Werttheorie von Marx zu gehen. Und zwar haben wir jetzt drei Sachen vor uns. Als erstes müssen wir schauen, was eigentlich der Profit ist und wie er sich vom Mehrwert unterscheidet. Das wird ja manchmal ein bisschen zusammengeschmissen, ist aber in der Theorie von Marx was Unterschiedliches. Danach kommt nochmal ein bisschen was Mathematisches, da könnt ihr euch schonmal drauf freuen, wir wollen uns nämlich angucken, wie sich in der Theorie von Marx eine Durchschnittsprofitrate bildet. Und im letzten Schritt können wir uns dann endlich an den Preis machen und darüber sprechen, wie der Wert einer Ware und ihr Preis zusammenhängen.

(L) Am besten erinnern wir uns mal eben daran, was wir bis jetzt so über den Wert und den Mehrwert wissen. Wenn Waren produziert werden, dann benutzt man ja Maschinen, Materialien, Strom und so weiter. Die haben jeweils einen Wert, den sie 1:1 auf die neuproduzierte Ware übertragen. Deswegen nennt man den Teil das konstante Kapital. Und dann gibt es noch die Arbeitenden, die mit ihrer Arbeit Neuwert produzieren. Der Neuwert teilt sich dann auf in den Lohn für die Arbeitenden und den Mehrwert. Deswegen nennt man den Teil, der in die Arbeitskraft investiert wird, variables Kapital, weil mehr Wert produziert werden kann.

(Y) Da haben wir in der letzten Folge auch ausführlich darüber gesprochen. Also falls euch das jetzt alles ein bisschen überfordert, dann hört vielleicht nochmal da rein. 

(L) Den Wert einer Ware kriegen wir, wenn wir drei Elemente zusammenrechnen. Also konstantes Kapital, variables Kapital und Mehrwert.

(Y) Um mal wieder ein schönes Beispiel zu machen, nehme ich nochmal die Seiferei von vorhin. Für konstantes Kapital, also Maschinen und so weiter, wird hier im Monat 9000€ ausgegeben. Und für Lohn, also für variables Kapital, wird 1000€ ausgegeben. 9000 und 1000. Dann sagen wir mal, dass die Arbeitenden nochmal 1000€ Mehrwert produzieren. Insgesamt wären die Waren in dem Monat also 9000€ + 1000€ + 1000€ wert, also 11000€. Konstantes Kapital, variables Kapital und Mehrwert. 

(L) Und wer Marx gelesen hätte, würde dann wahrscheinlich sagen, die 1000€ Mehrwert sind vom variablen Kapital entstanden. Aber die Kapitalist*innen tun sich ja eher selten Marx an. Was denken die sich denn?

(Y) Genau, so ein Kapitalist, oder so eine Kapitalistin wird sich wahrscheinlich vor allem für zwei Sachen interessieren. Wie viel Geld muss ich reinstecken und was bekomm ich dafür raus? Also Input und Output. Und das, was jemand aus der kapitalistischen Klasse reinstecken muss, hängt einfach vom konstanten Kapital ab und vom variablen Kapital. Also bei der Seiferei wären das die 9000€ für konstantes Kapital und die 1000€ für das variable Kapital. Und das zusammen ist dann der sogenannte „Kostpreis“ für den Kapitalist oder die Kapitalistin. Das ist wieder so ein Begriff, den Marx bei sich benutzt.

(L) Und warum ist das wichtig?

(Y) Naja, wenn konstantes und variables Kapital so zu einem Einheitsbrei zusammengepackt werden, verwischt das eigentlich genau das, was das variable Kapital ja so besonders macht. Das variable Kapital ist dann nämlich nicht mehr der ganz zentrale Ursprung vom Neuwert, sondern plötzlich so, als würden sowohl konstantes, als auch variables Kapital den Mehrwert produzieren. Also bezieht der Kapitalist oder die Kapitalistin die 1000€ Mehrwert nicht mehr einfach nur auf das variable Kapital, so wie wir Marxist*innen das tun würden, sondern auf den Kostpreis. Beziehungsweise auf das gesamte Kapital, was halt irgendwie reingesteckt werden musste. 

(L) Also praktisch 10.000€ Investment bringen 1000€ Gewinn?

(Y) Genau, ich rechne nochmal ein bisschen hier rum und das ist echt nicht schlimm, falls ihr da nicht folgen könnt. Letztes mal haben wir ja gesagt, dass die Mehrwertrate berechnet wird, indem man den Mehrwert durch das variable Kapital teilt. Also in der Seiferei von vorhin würden wir praktisch die 1000€ Mehrwert durch die 1000€ variables Kapital rechnen und das wäre dann 1, beziehungsweise 100%.

(L) 100% sagt man, weil die Mehrwertrate immer in Prozent angegeben wird und 1 ist das Gleiche wie 100%; 0,5 wären 50% und 2 wären 200%.

(Y) Bei der Profitrate bekommen wir jetzt aber was anderes raus, als bei der Mehrwertrate. Und an der sind die Kapitalist*innen wirklich interessiert. Bei der Profitrate wird der Mehrwert nicht nur durch das variable Kapital, sondern auf das gesamte Investment bezogen. Also man dividiert diese 1000€ Mehrwert, die da irgendwie in der Produktion rausgeholt wurden durch die gesamten 10.000€, die an Kapital reingesteckt wurden. Und wenn man 1000 durch 10.000 rechnet, bekommt man 0,1 beziehungsweise – ihr kennt das – eine Profitrate von 10%. Also was ganz anderes, als die 100% Mehrwertrate, die ich vorhin ausgerechnet habe.

(L) Okay, Mathe in einem Podcast zu folgen ist wahrscheinlich ein bisschen schwierig, aber Mehrwert und Profit sind an sich beides das Gleiche, nämlich das, was der oder die Kapitalist*in am Ende mehr hat. Was sich jetzt aber unterscheidet, das ist die Mehrwertrate und die Profitrate, oder?

(Y) Genau, weil der Mehrwert bei der Mehrwertrate nur auf das variable Kapital bezogen wird und bei der Profitrate auf das gesamte investierte Kapital, also konstantes plus variables Kapital.

(L) Wenn ihr das nochmal in Ruhe durchlesen wollt, dann empfehlen wir euch mal einen Blick in die Posts auf unserer Instagram-Seite, das findet ihr nämlich einzelne Posts zur Zusammensetzung vom Kapital, zum Profit und auch zu dem Thema, was wir jetzt gleich noch anschauen werden. Die Profitrate können wir nämlich eigentlich direkt wieder zur Seite schieben. Und zwar hat die Profitrate ein Problem. Um was für ein Problem geht es da?

(Y) Genau, um das zu erklären, gehen wir nochmal einen Schritt zurück, zu der Wertzusammensetzung, die wir ja vorhin besprochen haben. Wir Marxist*innen sagen ja, dass nur die Arbeitskraft Neuwert produzieren kann. Das heißt dann aber, dass es zwei wichtige Schrauben gibt, die bestimmen wie groß der Mehrwert oder der Profit sind, die am Ende rauskommen. Nämlich einerseits die Frage, wie viele Arbeitenden, beziehungsweise wie viel variables Kapital wird da eingesetzt in der Produktion? Und andererseits die Frage, wie stark werden die Arbeitenden, die da sind, ausgebeutet?

(L) Die Frage, wie stark die Arbeitenden ausgebeutet werden, lassen wir mal kurz weg. Marx macht das generell ganz gerne, dass er bestimmte Schrauben in einem komplexen Ganzen fixiert, um zu schauen, was passiert, wenn er an anderen Schrauben dreht. Und wir machen hier mal das Gleiche. Stellen wir uns deswegen vor, dass in allen Betrieben, die wir anschauen, eine Mehrwertrate von 100% ist. Das heißt, dass die Arbeitenden die Hälfte vom Tag für sich und die andere Hälfte vom Tag für die Kapitalist*innen arbeiten. 

(Y) Bei der Wertzusammensetzung ging es ja vorhin um das Verhältnis von konstantem Kapital und variablem Kapital und zwar im Hinblick auf ihren Wert. Was hat das denn jetzt für einen Einfluss auf die Profitrate, wenn praktisch der Wert von einem der beiden Teile größer oder kleiner wird?

(L) Ich mach das mal an den zwei Extrembeispielen, die wir vorhin hatten, fest. Die Seiferei und die die Bäckerei haben ja beide 10.000€ investiert. Bei der Bäckerei haben davon aber 9000€ das variable Kapital ausgemacht und bei der Seiferei waren es nur 1000€. Wenn jetzt bei beiden Betrieben eine Mehrwertrate von 100% ist, dann würde die Bäckerei 9000€ Mehrwert und die Seiferei 1000€ Mehrwert bringen. Und damit ist dann auch die Profitrate in der Bäckerei deutlich höher als die in der Seiferei.

(Y) Und damit stößt die Arbeitswerttheorie von Marx auf ein Erklärungsproblem. Theoretisch müssten nämlich Betriebe, die so eine unterschiedliche Zusammensetzung haben, wie wir sie hier zwischen Seiferei und Bäckerei haben, auch unterschiedlich große Profitraten erzeugen. Also die Bäckerei hat ja zum Beispiel eine niedrige Wertzusammensetzung, das heißt es wird viel Kapital für Arbeitende verbraucht und weil so viel variables Kapital da ist, ist eben auch die Profitrate groß, weil der Profit eben durch das variable Kapital produziert wird. Und im Gegensatz dazu hat die Seiferei, von der wir vorhin gesprochen haben, eine hohe Wertzusammensetzung, das heißt es wird viel Kapital für Materialien und Maschinen verbraucht und dadurch gibt es einfach eine kleinere Profitrate. Das liegt einfach daran, dass wenig variables Kapital ist und die Ausbeutung – das hatten wir gesagt – bleibt trotzdem auf dem gleichen Niveau wie bei der Bäckerei vorhin. Aber mit so unterschiedlichen Profitraten hatten es Marx und andere in Wirklichkeit nicht zu tun.

(L) Das würde ja auch den Kapitalismus langfristig zerstören, weil niemand in Bereichen mit niedrigen Profitraten investieren will.

(Y) Genau. Stattdessen sagt Marx, dass die Profitraten relativ gleich sind und zwar in allen möglichen Bereichen von der Produktion. Also überall! Ob in der Bäckerei, der Seiferei, im Verkauf oder bei der Schuhherstellung, oder sonst wo.

(L) Es bildet sich also so etwas wie eine Durchschnittsprofitrate. Also eine Profitrate, die über alle Wirtschaftszweige hinweg, ähnlich ist. Praktisch ein Durchschnitt. Wenn ihr nur wissen wollt, wie man vom Wert zum Preis kommt, dann merkt euch einfach die Tatsache, dass es eine Durchschnittsprofitrate gibt. Für alle anderen kommt jetzt noch eine kurze Erklärung, wie sich diese Durchschnittsprofitrate bildet. Zumindest wenn es nach Marx geht.

(Y) Um das zu verstehen, hilft es, wenn wir uns mal kurz überlegen, was in den Köpfen von den Mitgliedern der kapitalistischen Klasse eigentlich vorgeht. Also was treibt die im tiefsten Herzen an? Frau Spuler zum Beispiel möchte unbedingt Kapitalistin werden, war schon immer ihr Lebenstraum und sie hat jetzt 10.000€ und will das Geld natürlich so pfiffig einsetzen, dass sie am Ende besonders viel dafür rausbekommt. Wenn sie sich auf der einen Seite die Bäckerei anschaut, wo sie 9000€ für ihre Investition bekommt und auf der anderen Seite die Seiferei, wo sie einfach nur 1000€ für ihre Investition bekommt, dann wird sie wahrscheinlich, weil sie einfach unglaublich pfiffig ist, eher in die Bäckerei investieren. Hier gibt es nämlich mehr Geld für das Geld, das sie reinsteckt. Wenn sie jetzt – nochmal als Beispiel – vorher ihr Geld in der Seiferei investiert hat, die ja im Vergleich relativ wenig bringt, dann wird sie sich ihr Geld schnell schnappen und das in die profitablen Bereiche stecken, eben in die Bäckerei.

(L) Um die Dynamik zu verstehen, die dadurch losgetreten wird, nehmen wir nochmal die Bäckerei und die Seiferei. Stellen wir uns vor, dass es nicht nur eine Bäckerei und nicht nur eine Seiferei gibt, sondern zehn Bäckereien und zehn Seifereien. Wir wissen mittlerweile, dass die Bäckereien ziemliche viel variables Kapital, also lebendige Arbeit haben und dadurch auch viel Mehrwert produzieren. Und weil so viel Mehrwert produziert wird, ist auch die Profitrate hoch. 

(Y) Also: viel variables Kapital produziert viel Mehrwert und das bringt hier eine hohe Profitrate. 

(L) Auf der anderen Seite ist die Profitrate in den Seifereien nicht so hoch, weil wenig variables Kapital eingesetzt wird. Jetzt bekommen es ein paar Kapitalist*innen, die in die Seifereien investiert haben mit, dass es große Profite bei den Bäckereien gibt. Sie schließen also ihre Seifereien, schnappen sich ihr investiertes Kapital und machen eine Bäckerei auf. Jetzt gibt es 15 Bäckereien und nur noch fünf Seifereien. 

(Y) Und hier kommen endlich die berühmten Worte „Angebot und Nachfrage“ ins Spiel, die alle Wirtschaftswissenschaftsstudent*innen jede Woche 50 mal aufschreiben müssen. Wenn jetzt nämlich plötzlich 15 Bäckereien Brötchen backen, dann wird einfach das Angebot größer und auch die Konkurrenz wächst und dadurch sinkt der Preis von den Brötchen. Und indem der Preis sinkt, sinkt dann auch die Profitrate und so wird die eigentlich hohe Profitrate, die ja bei den Bäckereien vorher so besonders hoch war, runter in Richtung Durchschnittsprofitrate gedrückt. Und das ist bei der Seiferei übrigens genau andersrum. Die Preise für die Seife würden jetzt steigen, weil das Angebot sinkt und so wächst dann die Profitrate in Richtung Durchschnittsprofitrate und beide treffen sich da. Also ganz allgemein kann man sagen, gibt es in der Wirtschaft so eine ständige Bewegung hin, dass die Profitraten zu einer Durchschnittsprofitrate ausgeglichen werden.

(L) Aber die Durchschnittsprofitrate wird eigentlich nie erreicht.

(Y) Genau. Die wird hier niemals erreicht. Aber durch die Wanderung von Kapital in hochprofitable Wirtschaftszweige, gibt es zumindest trotzdem eine Tendenz dahin. Zumindest ist das der Grund, wenn es nach Marx geht.

(L) Ja, das ist vielleicht nochmal eine wichtige Randnotiz. Es gibt nämlich auch im Marxismus Kritik an genau dieser Argumentation. Zum Beispiel wurden viele von den Annahmen kritisiert, die dem Ganzen zu Grunde liegen. Marx nimmt unter anderem an, dass alle Menschen genügend Informationen besitzen, um zu entscheiden, wo sie ihr Kapital hinsetzen. Und dass es keine Hindernisse gibt, um das Kapital schnell von einem Bereich in den anderen zu bringen.

(Y) Der Grund für den Ausgleich von Profitraten zu einer einheitlichen Profitrate ist bei Marx also die Bewegung vom Kapital und die Konkurrenz, die das ganze antreibt. Wenn das Kapital in besonders profitable Bereiche fliest, dann führt das dazu, dass hohe Profitraten gesenkt werden und wenn Kapital aus unprofitablen Bereichen wegfliest, dann führt das dazu, dass die niedrigen Profitraten gesteigert werden. Auf jeden Fall haben wir jetzt alle Werkzeuge die wir brauchen, damit wir vom Wert zum Preis kommen können. Magst du vielleicht nochmal kurz zusammenfassen, was es Wichtiges gibt, bis hier hin?

(L) Wir sind ja bis jetzt darauf eingegangen, dass sich das Kapital in unterschiedlichen Verhältnissen zusammensetzten kann. Also das Verhältnis zwischen variablem und konstantem Kapital, das kann ganz unterschiedlich sein. Das würde dann theoretisch zu unterschiedlichen Profitraten führen. Aber in der Realität meint Marx, dass sich die Profitraten durch die Bewegung vom Kapital ausgleichen, zu einer Durchschnittsprofitrate. 

(Y) Genau und damit kommen wir jetzt zu dem letzten wichtigen Begriff, den ihr euch merken müsst. Nämlich zum Produktionspreis. Der Warenwert selbst, der hat sich ja aus dem konstanten Kapital, dem variablen Kapital und dem Mehrwert zusammengesetzt. Aber wir haben ja schon erwähnt, dass das noch nicht das letzte Wort ist. Also was passiert jetzt hier mit dem Warenwert?

(L) Indem sich so eine einheitliche Profitrate bildet, von der wir gerade gesprochen haben, verschiebt sich eigentlich der Wert über die gesamte Wirtschaft hinweg. Die Ausgaben für konstantes und variables Kapital bleiben natürlich immer noch gleich, weil ja alle Betriebe sich Arbeitende, Maschinen, Material und anderes kaufen müssen. Aber was die Kapitalist*innen oben drauf bekommen, das ist jetzt nicht mehr der Mehrwert, der bei ihnen Produziert wird. 

(Y) Sondern der Profit, richtig?

(L) Ja. Und eben der Profit, wie er durch die einheitliche Profitrate bestimmt wird. Nehmen wir nochmal die Bäckerei – ihr könnt es wahrscheinlich gar nicht mehr hören – da gehen ja 1000€ für konstantes Kapital drauf und 9000€ für variables Kapital und weil die Mehrwertrate 100% ist, werden 9000€ Mehrwert produziert.

(Y) Aber der produzierte Mehrwert ist dann eben genau nicht das, was dann tatsächlich obendrauf kommt, sondern jetzt kommt die einheitliche Profitrate ins Spiel. Sagen wir mal, die liegt bei 33%, also nicht bei 100% wie bei der Mehrwertrate, sondern bei 33%. Das würde dann dazu führen, dass der Profit nicht wie der Mehrwert bei 9000€ liegt, sondern bei 3000€, weil 33% von 9000€ sind 3000€. Wieder viel Rechnerei, aber ihr müsst euch nur merken, dass der tatsächliche Profit der Kapitalist*innen sich nicht durch den Mehrwert ergibt, den die einzelnen Betriebe tatsächlich produzieren, sondern durch die Durchschnittsprofitrate, beziehungsweise die einheitliche Profitrate.

(L) Genau und dann steht der Warenwert gar nicht mehr im Mittelpunkt. Marx sagt, dass der Wert aller Waren zwar immer noch gleichbleibt und der Gesamtprofit bleibt auch das gleiche, wie der Gesamtmehrwert. Aber alles ist jetzt anders verteilt, über die gesamte kapitalistische Klasse hinweg. Kapitalist A bekommt durch die einheitliche Profitrate mehr, als er an Mehrwert produziert hat und Kapitalistin B bekommt dafür weniger.

(Y) Und das macht dann den Produktionspreis aus. Der Warenwert war ja konstantes Kapital + variables Kapital + Mehrwert. Aber der Produktionspreis ist jetzt das konstante Kapital + das variable Kapital, also bis hierhin kennen wir das schon, + den Profit, der sich durch die einheitliche Profitrate ergibt und der Produktionspreis wäre jetzt nicht mehr der Warenwert. Der Warenwert lag ja hier bei 19.000€ und der Produktionspreis beträgt jetzt 12.000€. 

(L) Und was bedeutet das für die Preise, die wir am Markt sehen?

(Y) Für die bedeutet es dann, dass sie nicht um den Wert von einer Ware schwanken, sondern um den Produktionspreis. Und das ist dann schon wieder was ganz anderes, als das was im ersten Band besprochen wird.

(L) Dass die Marktpreise jetzt nicht mehr um den Wert, sondern um den Produktionspreis schwanken, hat übrigens zu viel Kritik geführt, aus unterschiedlichen Lagern. Für viele bürgerliche Ökonom*innen war das der Beweis, dass Marx scheinbar selber gemerkt hat, dass die Arbeitswert-Theorie in der Realität gar nicht gültig ist.

(Y) Ja, da gibt es zum Beispiel ein spannendes Zitat von Paul Samuelson, der Marx kritisiert hat und der sagt nämlich: „Betrachte zwei alternative, widersprüchliche Systeme, schreibe das eine hin zur Transformation, nimm einen Radiergummi und radiere es aus. Schreib dann stattdessen das andere hin – voila – damit ist dann der Transformationsalgorithmus beendet.“ Also stimmt es, hat Marx seine ursprüngliche Werttheorie aufgegeben, wenn er von Produktionspreisen spricht?

(L) Eigentlich erst mal nicht. Die Produktionspreise hängen bei Marx immer noch mit dem Arbeitswert zusammen und bauen darauf auf. Wir haben ja gerade gesagt, dass die Gesamtmenge der Produktionspreise das gleiche ist, wie die Gesamtmenge der Werte und die Gesamtmenge von den Profiten ist gleich der Gesamtmenge vom Mehrwert. Also das sagt Marx zumindest. Das heißt, dass der Arbeitswert immer noch dahintersteht, aber jetzt eben eine andere Gestalt bekommen hat. Der Mehrwert wird ebene durch die Bewegung vom Kapital, durch die Konkurrenz und durch die Größen von den jeweils eingesetzten Kapitalmassen in der kapitalistischen Klasse umverteilt. Aber dahinter steckt die ganze Zeit der Arbeitswert. Wenn du keinen Arbeitswert produziert hast, dann lässt sich auch nichts verteilen. Nur ist die Logik vom Anfang in der Realität ganz oft gebrochen und nur durch so eine wissenschaftliche Analyse, wie Marx sie versucht, dann überhaupt zu verstehen.

(Y) Damit haben wir jetzt den Preis erst mal hinter uns gelassen. Aber wir haben es hier tatsächlich mit einem Problem zu tun, das wir euch nicht verheimlichen wollen und das Problem hatte nicht erst Marx, sondern das hatten auch andere vor ihm, die irgendwie eine Werttheorie aufgestellt haben. Und zwar haben wir es im Prinzip mit zwei Systemen zu tun. Zuerst ist da auf der einen Seite das Wertsystem, also das System, wo die tatsächlichen Werte der Waren stecken und auf der anderen Seite ist das Preissystem, also das, was wir in der Realität dann auch erleben. Und die Aufgabe für alle klassischen politischen Ökonomen war es eigentlich, dass sie eine logische Methode entwickeln, wie eine Umwandlung von Werten in Preise möglich ist, also von dem einen System zum andern zu kommen. Und jetzt kommen wir zu einem wirklich komplizierten Teil, den wir heute nur mal erwähnen wollen und zwar zum Transformationsproblem. Was genau ist das denn, Lea?

(L) Vorher ganz kurz die Anmerkung: das ist jetzt wirklich Expert*innen-Zeug. Aber damit ihr bei Diskussionen, falls ihr so eine Diskussion jemals führen solltet, nicht ins offene Messer lauft, nehmen wir das trotzdem mit rein. Wenn über Marx gesprochen wird und dann der Begriff „Transformationsproblem“ benutzt wird, dann geht es darum, dass der Weg vom Wert zu den Produktionspreisen kritisiert wird.

(Y) Ja, wir haben ja gesagt, dass der Wert sich aus dem konstanten Kapital, dem variablen Kapital und dem Mehrwert beim Warenwert zusammensetzt. Und beim Produktionspreis rechnet man das konstante Kapital und das variable Kapital zusammen und bekommt dann noch den Profit, durch die Durchschnittsprofitrate. Mehrwert und Profit lassen wir jetzt mal gedanklich kurz zur Seite.

(L) Also schauen wir uns das konstante und das variable Kapital an. 

(Y) Genau. Und hier gibt es dann nämlich ein Problem. Bei Marx kommen konstantes Kapital und variables Kapital immer noch als Werte in das System, das wir vorhin aufgestellt haben, rein. Aber der Chef von der Seiferei zum Beispiel, kauft ja seine Maschinen nicht zu den Werten, sondern er kauft auch die wieder zum Marktpreis und die Marktpreise kommen nicht aus den Werten raus, sondern – hat Marx ja selber gesagt – diese Marktpreise basieren auf den Produktionspreisen.

(L) Also hat Marx praktisch nie verstanden, dass auch die Sachen, die zur Produktion gekauft werden müssen, nicht zum Wert, sondern zu Produktionspreisen reingerechnet werden müssen.

(Y) Naja, gesehen hat er es schon. Er hat das Problem zumindest auch angesprochen, aber er hat es nicht gelöst. Was auch daran liegen kann, dass der den dritten Band einfach selber nicht fertig gestellt hat und nicht selber rausgegeben hat.

(L) Und das hat dann zu Diskussionen geführt?

(Y) Genau, angefangen haben die Diskussionen eigentlich schon im 19. Jahrhundert und  Engels hat das auch in seinen Vorworten immer wieder angesprochen und mit den Jahren gab es dann unterschiedliche Kritiken und Lösungsansätze. Besonders wichtig für die aktuelle Diskussion sind zwei Bücher aus den 70er-Jahren. Einmal von Sraffa, der eigentlich eher die neoklassische Ökonomie kritisieren wollte und anschließend von Steedman, der mit dem Titel „Marx After Sraffa“ die Kritik geschärft hat. Im Prinzip war die Kritik, dass die Arbeitswerttheorie überflüssig ist und dass man die Arbeitswerte nicht kennen muss, um die richtigen Produktionspreise zu berechnen. Und von marxistischer Seite hat das ganz unterschiedliche Reaktionen dann provoziert.

(L) Ein paar Marxist*innen haben die Arbeitswerttheorie tatsächlich aufgegeben. Andere haben unterschiedliche Annahmen von der Kritik kritisiert. Wir haben uns vorgenommen, da in einer anderen Folge nochmal drauf einzugehen, fürs erste reichts jetzt aber, wenn ihr wisst, dass es das Problem gibt und dass es innerhalb vom Marxismus ganz verschiedene Wege gibt, damit umgehen zu können.

(Y) Es gibt nochmal einen anderen Punkt, den ihr wissen solltet, wenn ihr versucht nach der Werttheorie von Marx die Welt zu verstehen, nach dieser Folge. Und zwar hängt das mit dem Begriff der Arbeit zusammen. Wenn man von der Wert- oder der Arbeitswerttheorie spricht, dann nimmt die Arbeit ja einen ziemlich großen Platz ein, aber das führt ja erst mal in die Irre, oder?

(L) Schon leider, ja. Wir können nämlich nicht sagen, dass Marx tatsächlich alle Arbeiter*innen meint, wenn er von Arbeit spricht, die Wert schafft. Wenn du zum Beispiel verbeamtete Lehrerin bist, dann lassen sich die Begriffe nicht einfach übertragen. Und ein wichtiges Konzept, das in dem Kontext benutzt wird, ist das der produktiven Arbeit. Das ist übrigens kein Konzept von Marx, sondern das wurde eigentlich schon früher eingeführt, oder?

(Y) Genau, im Prinzip geht es um die Frage, wo genau der Reichtum einer Gesellschaft geschaffen wird und in welchen Bereichen der Gesellschaft eigentlich nur konsumiert wird, was vorher schon produziert wurde. Der Begriff wurde von merkantilistischen Theoretikern damals schon unsystematisch benutzt, aber der wurde bei den sogenannten Physiokraten das erste Mal systematisch ausgearbeitet. Die hatten damals nämlich die feudale Gesellschaft vor sich und haben die in drei Klassen unterteilt. Und das haben sie gemacht anhand von der ökonomischen Funktion, die die jeweiligen Klassen ihrer Meinung nach in dem Wirtschaftskreislauf eingenommen haben. Die erste Klasse war die produktive Klasse, wo sie die Menschen aus der Landwirtschaft dazugezählt haben. Und weil sie der Überzeugung waren, dass der gesamte Reichtum der Menschen aus der Natur stammt, gehörten für sie auch nur alle Menschen, die im Agrarsektor eben arbeiten, zur produktiven Klasse. Die zweite Klasse nannten sie die sterile Klasse. Die fügt nämlich dem Reichtum aus ihrer Sicht nichts mehr Neues hinzu, sondern verändert nur noch die Form. Also dazu könnte man vielleicht Handwerker*innen oder Händler*innen zählen. Und die dritte Klasse war die sogenannte besitzende Klasse, also zum Beispiel Adlige. Die schaffen auch wieder keinen Reichtum, sondern sorgen vielleicht eher dafür, dass der Wirtschaftsprozess gut klappt. Produzieren tun in dieser Vorstellung also nur die Menschen im Agrarsektor und der Rest der Bevölkerung formt um, konsumiert, oder verteilt.

(L) Und das Konzept ist ja dann über klassische politische Ökonomen wie Adam Smith, zu Marx gekommen. Und Marx hat den Begriff vor dem Hintergrund von seiner Theorie definiert. Wie bei vielen anderen Sachen in seiner Theorie ist auch hier natürlich kein ein für alle Mal vorhandenes Konzept definiert worden, sondern die Begriffe verschieben sich mit der Zeit. Aber wir geben trotzdem unser Bestes, um es zu erklären.

(Y) Marx fängt eigentlich wie viele andere vor ihm auch schon an, über produktive Arbeit nachzudenken. Also zuallererst sind für ihn nämlich all die Arbeiten produktiv, die ein Produkt hervorbringen. 

(L) Ja, das engt schonmal unser Verständnis ein. Wenn Marx von produktiver Arbeit spricht, also die Arbeit, um die es meistens in seinen Schriften geht, dann geht es um Arbeit, die ein Produkt schafft. Und im Kontext von Marx‘ Theorie bedeutet das, dass ein Gebrauchswert produziert werden muss.

(Y) Genau, aber für Marx ist das erst mal nur der erste Schritt. Das ist zwar eine ganz praktische Definition, wenn wir uns einfach mal den Arbeitsprozess an sich ansehen, aber arbeiten im kapitalistischen Zusammenhang ist einfach immer ein bisschen mehr. Einerseits nämlich, weil wir es hier nicht nur mit einzelnen Arbeiter*innen zu tun haben, sondern mittlerweile mit Gruppen von Arbeiterinnen, die zusammen kommen und als Gruppe zusammen ein Produkt produzieren. Klar, die machen jeweils nochmal unterschiedliche Sachen und nicht alle schrauben tatsächlich selbst am Produkt rum, aber trotzdem arbeiten die alle zusammen und sind nach Marx dann auch gemeinsam produktiv. 

(L) Marx nennt das auch den „Gesamtarbeiter“, oder?

(Y) Genau, im Prinzip geht es eigentlich darum, dass eine Gruppe von Menschen gemeinsam produktiv ist, obwohl nicht alle Einzelteile für sich genommen jetzt produktiv wären. Aber als Teil von so einem Gesamtarbeitenden sind sie eben trotzdem produktiv.

(L) Aber es gibt noch einen zweiten Punkt, wie der Begriff der produktiven Arbeit sich für Marx im Kapitalismus verändert, richtig?

(Y) Ja und der baut auf einer der großen Stärken von Marx auf. Marx betont ja immer wieder, dass der Kapitalismus nichts Natürliches ist, sondern dass er durch und durch gesellschaftlich und geschichtlich gewachsen ist. Und das hat dann auch Einfluss auf seinen Begriff von der produktiven Arbeit. Sobald die Arbeit nämlich im kapitalistischen Bereich geleistet wird, dann reicht es nicht mehr, dass daraus ein Produkt produziert wird, sondern der kapitalistischen Klasse geht es ja vor allem darum, dass Mehrwert produziert wird, den sie dann nutzen können, um noch mehr Kapital anzuhäufen. Wenn also Menschen einfach nur einen Gebrauchswert, wie zum Beispiel ein Holzpferd oder so produzieren, dann haben sie an sich noch keine produktive Arbeit geleistet. Produktiv wird die Arbeit eigentlich erst dann, wenn gleichzeitig noch ein Mehrwert hervorgebracht wird, oder wenn das Kapital dabei unterstützt wurde, dass es sich selbst verwerten kann.

(L) Das bedeutet dann praktisch, dass es eigentlich gar nicht so toll ist, wenn man produktive*r Arbeiter*in ist, weil man dann von der kapitalistischen Klasse ausgebeutet wird.

(Y) Genau. Deswegen sagt Marx auch, dass es eigentlich ein Pech ist, wenn man produktive*r Arbeiter*in ist. Aber genau wie Physiokrat*innen und andere vor ihm, sagt Marx ja dann, dass es bestimmte Bereiche gibt, die keinen Mehrwert produzieren, sondern den Mehrwert von woanders eher verbrauchen. Auf welche Bereiche geht er denn da ein?

(L) Dafür müssen wir uns mal anschauen, was Marx zum Handelskapital und zum zinstragenden Kapital zu sagen hat. Darauf geht er nämlich noch ein, nachdem er die Durchschnittsprofitrate besprochen hat.

(Y) Am besten schauen wir uns erst Mal das Handelskapital an. Da geht es ja – wie der Name eigentlich schon sagt – vor allem und den Handel. Also im Prinzip geht es um alle Arbeiten, die passieren müssen, damit die Waren nach der Produktion an die Menschen kommen.

(L) Also Verkauf und so.

(Y) Ja, Verkauf fällt dabei wahrscheinlich als erstes ein. Marx sagt jetzt zu dem Handelskapital, dass in den Arbeiten hier beim Handel eigentlich kein Wert produziert wird. Das kann man vielleicht beim Verkauf auch ganz gut sehen. Es wird ja eigentlich hier nichts mehr am Gebrauchswert der Waren wirklich verändert, was dann rechtfertigen würde, dass eine Ware hier dann irgendwie wertvoller wird. Es wird einfach versucht die Ware, die eh schon produziert ist, und zwar fertig produziert, diese Ware an die Menschen zu bringen.

(L) Ich schmeiße mal kurz zwei wichtige Fragen ein. Was ist denn mit so Sachen wie dem Transport von Waren durch LKW-Fahrer*innen?

(Y) Ja, das ist tatsächlich ein bisschen schwierig. Für Marx – das könnt ihr euch vielleicht merken – fällt nämlich nicht alles, was außerhalb der eigentlichen Produktion passiert, auch tatsächlich zum Handel. So eine LKW-Fahrerin transportiert ja den Gebrauchswert „Brötchen“ zu den Kund*innen und das gilt dann tatsächlich als produktive Arbeit, obwohl es nicht direkt in der Produktion stattfindet.

(L) Okay, aber trotzdem ist das ja alles notwendig, oder? Ohne viele Funktionen vom Handelskapital wäre der Verkauf ja zum Beispiel viel schwieriger. 

(Y) Ja, der Begriff der produktiven Arbeit sagt auch gar nichts darüber aus, was jetzt tatsächlich zum Funktionieren einer Gesellschaft notwendig ist und was nicht. Also es gibt unzählige, unproduktive Arbeiten, die notwendig sind, damit eine Gesellschaft, beziehungsweise eine kapitalistische Gesellschaft läuft. Das beste Beispiel ist vielleicht die Hausarbeit, die ja selber an sich keinen Mehrwert produziert, aber trotzdem das ganze System am laufen hält. Beim Begriff der produktiven Arbeit geht es einfach nur um die Frage: wo wird das Kapital aufgehäuft und wo wird es gesichert?

(L) Wenn die Arbeitenden, die vom Handelskapital angestellt sind, keinen Mehrwert produzieren, dann bleibt aber die Frage, wie das Handelskapital überhaupt Profit macht. Beim produzierenden Kapital haben wir ja gesagt, dass der Mehrwert die Grundlage für den Profit ist. Aber ohne Mehrwert kein Profit.

(Y) Ja, viele würden wahrscheinlich sagen, dass die Handelskapitalistin die Ware kauft und dann nochmal was auf den Preis schlägt, damit sie Profit machen kann.

(Y) Marx sagt, dass es eher andersrum ist, das Handelskapital verkauft nicht über Wert, sondern kauft unter Wert. Das bedeutet, dass die produzierenden Kapitalist*innen sich den Mehrwert mit den Handelskapitalist*innen teilen und sich dadurch den Stress ersparen, dass sich auch noch um den Verkauf gekümmert werden muss.

(Y) Wenn die Seiferei zum Beispiel Seifen im Wert von 1000€ produzieren lassen, wovon 100€ Profit sein könnten, dann verkaufen sie die Seife vielleicht für nur 950€ an das Handelskapital und das Handelskapital kann sich dann die 50€ einstecken, auf die die produzierenden Kapitalist*innen verzichten. 

(L) Also ist das Handelskapital weniger eine Methode, um Mehrwert zu erzeugen und eher eine Art, wie man Mehrwert, der woanders produziert wurde, aneignen kann.

(Y) So in der Art, ja. Und der Arbeitstag von den Menschen, die für das Handelskapital arbeiten, unterscheidet sich jetzt auch nochmal von dem Arbeitstag von den Arbeiter*innen, die für das produzierende Kapital arbeiten. Wenn wir uns nochmal kurz erinnern: bei den produktiven Arbeitenden ist es ja so, dass es einen Teil vom Arbeitstag gibt, an dem sie einen Ausgleich vom variablen Kapital produzieren und dann kommt nochmal ein Teil, während dem Mehrwert produziert wird. Bei den Arbeitenden vom Handelskapital ist es aber so, dass die ganze Zeit ein Wert, der woanders produziert wurde, angeeignet wird. Und ein Teil vom Arbeitstag ersetzt dann auch wieder das variable Kapital und der restliche Teil vom Tag, ermöglicht es dann den Handelskapitalist*innen, dass sie sich Mehrwert aneignen können und Profit machen, auf Basis von dem Mehrwert, der woanders erzeugt wurde.

(L) Damit ihr es mal gehört habt, erwähne ich auch kurz, dass der Profit vom Handelskapital in die Durchschnittsprofitrate mit eingeht. Aber das wäre jetzt zu kompliziert, also lassen wir das für jetzt mal weg. Also das Handelskapital eignet sich den Mehrwert an und die Menschen, die hier arbeiten, sind nicht direkt produktiv. Was hat es denn mit dem zinstragenden Kapital auf sich? 

(Y) Genau, das ist jetzt praktisch nochmal was anderes als das Handelskapital. Also die meisten von euch kennen wahrscheinlich das Prinzip von einem Zins. Man leiht zum Beispiel irgendjemandem Geld und bekommt dafür nicht nur das Geld, das man geliehen hat, irgendwann zurück, sondern auch nochmal einen Zins oben drauf. Und auch beim zinstragenden Kapital ist dann wieder die Frage: woher kommt hier eigentlich der Profit? Und, ihr könnt es euch schon denken, wie immer bringt Marx das in den Zusammenhang mit dem produzierenden Kapital. Zum Beispiel könnte jemand der Seiferei die 10.000€ Kapital auch einfach leihen, die nehmen dann das Geld zum produzieren und es werden 1000€ Mehrwert, beziehungsweise Profit, produziert. Und von diesem Profit wird dann ein Teil als Zins an die Verleiher*innen gegeben und den Rest kann die Chefin von der Seiferei dann für sich behalten.

(L) Dann bleibt uns zum Abschluss eigentlich nur noch eine Frage, die für viele von euch wahrscheinlich auch ganz interessant ist und die sich ein paar vielleicht auch schon gefragt haben. Nämlich die Frage, ob die Theorie von Marx bewiesen oder widerlegt wurde. Also wir reden jetzt natürlich nicht von der gesamten Theorie, sondern eher von den ökonomischen Ideen, um die es letztes und auch dieses Mal gegangen ist. 

(Y) Ja, da lässt sich auch schon wieder 100 Stunden drüber reden, aber wir machen einfach mal ein paar Punkte, die man sich durch den Kopf gehen lassen sollte. Ich fange am besten mal an mit einem relativ berühmten Zitat von Marx, der sich nämlich zu genau der Frage geäußert hat. Der hat 1868 in einem Brief an einen Sozialdemokraten namens Kugelmann nämlich folgendes gesagt. Also Zitat von Marx: „Das Geschwätz über die Notwendigkeit, den Wertbegriff zu beweisen, beruht nur auf vollständigster Unwissenheit, sowohl über die Sache, um die es sich handelt, als auch die Methode der Wissenschaft. Dass jede Nation verrecken würde, die ich will nicht sagen für ein Jahr, sondern für ein paar Wochen die Arbeit einstellte, weiß jedes Kind. Ebenso weiß es, dass die den verschiedenen Bedürfnismassen entsprechenden Massen von Produkten verschiedene und quantitativ bestimmte Massen der gesellschaftlichen Gesamtarbeit erheischen. Dass diese Notwendigkeit der Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit in bestimmten Proportionen – also Verhältnissen – durchaus nicht durch die bestimmte Form der gesellschaftliche Produktion aufgehoben, sondern nur ihre Erscheinungsweise ändern kann, ist self-evident – also offensichtlich.“ Naturgesetze, und für so ein Naturgesetzt hält Marx diese gesellschaftliche Form der Arbeit, können überhaupt nicht aufgehoben werden. Was sich jeweils in historisch verschiedenen Zuständen ändern kann, ist nur die Form, worin jene Gesetze sich durchsetzen.

(L) Und was sagt uns das jetzt?

(Y) Ja, das sagt uns erst einmal, dass Marx es eigentlich nicht für besonders sinnvoll gehalten hat, sich mit einem Beweis für die Arbeitswerttheorie überhaupt auseinander zu setzen, weil das für ihn eigentlich ziemlich klar war.

(L) Finde ich jetzt aber nicht besonders überzeugend.

(Y) Naja, in Zeiten wie heute, wo die herrschende Volkswirtschaft den Zusammenhang von Wert und Arbeit ziemlich vergraben hat, reichts das natürlich nicht mehr gut aus. Aber es macht zumindest den wichtigen Punkt, dass es Marx im ersten Band vom Kapital gar nicht so sehr darum ging entgültig zu beweisen, dass der Wert von Waren tatsächlich mit Arbeit zusammenhängt.

(L) Das hängt übrigens auch ganz einfach damit zusammen, dass es damals eigentlich common sense war. So einflussreiche Ökonomen wie Adam Smith, oder David Ricardo, die haben die Position ja auch vertreten. Aber wenn so ein Beweis nicht sein Ziel war, was wollte er dann?

(Y) Naja, in erster Linie ging es Marx um das, was wir schon ein paar Mal hier angesprochen haben. Nämlich darum zu zeigen, auf was für Arten Menschen miteinander eine Gesellschaft formen. Also nach welchen Regeln und Logiken handeln sie, ohne dass ihnen das überhaupt richtig bewusst wird? Wenn Arbeit, wie heute im Kapitalismus, immer relativ privat durchgeführt wird, also in einzelnen Betrieben, die nicht direkt gesellschaftlich koordiniert werden, dann müssen sie die Arbeitsprodukte einfach als Waren miteinander tauschen. Und da können sich die einzelnen Menschen dann nicht einfach rausziehen. 

(L) Und wenn sie die Privatarbeiten über den Tausch vermitteln, dann kommen bestimmte Beziehungen und Regeln raus?

(Y) Genau.

(L) Also kann man sagen, dass es Marx erstmal nicht um einen Beweis geht, sondern dass er die gesellschaftliche Struktur offenlegen will, der wir alle folgen müssen, unabhängig davon, was wir drüber denken oder fühlen.

(Y) Genau, aber das ist wie vorhin schon gesagt, ein bisschen unbefriedigend eigentlich. Und deswegen gibt es auch unglaublich viele Werke nochmal dazu, die die Werttheorie von Marx entweder widerlegen, oder beweisen wollen. Und das sind auch wichtige Versuche, weil die Werttheorie nicht von der Realität abgetrennt sein soll. Also in der Realität muss sich immer auch nachvollziehen lassen, dass die Werttheorie stimmt und dass man mit ihr die Welt um uns tatsächlich gut erklären und verstehen kann. Und wichtige Grundvoraussetzungen dafür sind auch, dass sie in sich einfach stimmig ist und keine Widersprüche in sich hat.

(L) Das hat ja vor allem mit dem Transformationsproblem, von dem wir vorhin gesprochen haben, zu Problemen geführt.

(Y) Ja und die meisten Texte, die Marx beweisen oder widerlegen wollen, finden sich auch in genau dem Umfeld. Der japanische Marxist Okishio hat Mitte vom letzten Jahrhundert gezeigt, dass es in einer Gesellschaft mit nur zwei Klassen insgesamt nur Profite geben kann, wenn die Ausbeutungsrate, beziehungsweise die Mehrwertrate positiv ist. Das würde ja Marx erst mal ziemlich stützen. Daraufhin hat dann aber Steedman, von dem wir vorhin gesprochen haben argumentiert, dass außerhalb von solchen zwei-Klassen-Ökonomien, die ja in der Realität nicht auftauchen, die Arbeit mit solchen Arbeitswerten eigentlich völlig irrelevant ist.

(L) Aber gibt es nicht irgendetwas, nicht zu kompliziertes, was man den Hörer*innen jetzt an die Hand geben kann, wenn sie sich damit auseinandersetzen wollen, oder sie was für Diskussionen brauchen?

(Y) Absolut. Wenn ihr mal in eine Diskussion geratet, wo Leute euch sagen, die marxistische Theorie ist doch längst widerlegt, dann schnappt ihr euch am besten die Dissertation von Nils Fröhlich, der hat nämlich untersucht, wie gut bestimmte Formen von einer marxistischen Werttheorie die Realität erklären können. Und dafür hat er sich die deutsche Wirtschaft anfang des 21. Jahrhunderts angeschaut.

(L) Vielleicht als kleine Hintergrundinfo für euch: Als Reaktion auf das Transformationsproblem haben sich verschiedene Varianten der marxistischen Werttheorie herausgebildet. Also unterschiedliche Ansätze, wie die marxistische Ökonomie die Probleme, die vorgeworfen wurden, überwunden werden.

(Y) Relevant sind da zum Beispiel die Ansätze von Shaikh, sowie von Farjoun und Machover und Nils Fröhlich hat in seiner Arbeit dann zeigen können, dass besonders diese zwei Ansätze von Shaikh, sowie von Farjoun und Machover, tatsächlich große Kraft haben, die deutsche Wirtschaft zu erklären. Er hat dafür ziemlich komplizierte Mathematik aus den Wirtschaftswissenschaften benutzt, die ihr nicht verstehen müsst. Aber ich finde, das tollste Argument für die Arbeit ist, dass sie sogar vom statistischen Bundesamt ausgezeichnet wurde.

(L) Also praktisch eine Untersuchung, die besagt, dass marxistische Ansätze auf die Realität passen und die dann von einer staatlichen Institution ausgezeichnet wurde?

(Y) Genau. Und die Arbeit von Nils Fröhlich ist nicht die einzige in dem Bereich, auch andere Menschen, wie Shaik selber, den wir ja gerade erwähnt haben und Dave Zachariah und noch mehr haben in unterschiedlichen Ländern Untersuchungen durchgeführt und haben dabei eigentlich immer wieder gezeigt, dass marxistische Ansätze tatsächlich zu den Dynamiken in der Realität passen können. 

(L) Also können wir glaube ich festhalten, dass es zwar immer wieder ernsthafte Kritik gegeben hat, aber dass auch aus dem Marxismus heraus viel Forschung existiert, die die marxistische Theorie vom Arbeitswert stützt.

(Y) Ja und ich finde, das ist ein super Abschluss eigentlich.

(L) Ja, das glaube ich auch. Wir haben heute auch ganz verschiedene Sachen durchgesprochen. Das Wichtigste, was ihr euch merken könnt, ist wahrscheinlich, wie genau nach Marx der Wert zu Preisen wird. Aber wir hoffen, dass ihr heute so einen guten Einblick in ein paar fortgeschrittenere Themen bekommen habt und werden auch in Zukunft nochmal genauer eintauchen. Aber jetzt haben wir uns wahrscheinlich erst mal eine Pause mit ein paar entspannteren Themen verdient.

(Y) Wir wollen uns wie immer bedanken, dass ihr uns zugehört habt. Wir freuen uns, wenn ihr euch die Zeit nehmt, uns über unser Insta-Profil oder über unsere Mail in den Shownotes eine Rückmeldung zu schreiben.

(L) Ja, vor allem gebt uns gern Bescheid, wie ihr so eine Nerd-Folge fandet, ob ihr es total unnötig und too much fandet, oder ob ihr vielleicht selber schon ein bisschen drin seid und es euch weitergeholfen hat, oder euch bei der Orientierung helfen konnte. Wir freuen uns auch immer, wenn ihr uns weiterempfehlt, wenn ihr uns mögt, oder uns fünf Sterne bei Apple-Podcasts und Spotify dalasst. Wenn ihr uns und unsere Arbeit darüber hinaus auch noch finanziell unterstützen möchtet, dann findet ihr in den Shownotes einen Link zu unserem ko-fi, wo ihr uns einen symbolischen Kaffee ausgeben könnt.

(Y) Als nächstes kommt dann endlich wieder eine entspanntere Lexikon-Folge. Wir freuen uns auf euch, bis dann.

(L) Wir grüßen heute Holger Wendt und legen allen, die gerade die ersten Schritte in der Theorie vom Arbeitswert machen, sein Buch ans Herz. Wir kriegen kein Geld dafür, aber wenn ihr ein Einführungsbuch in die drei Kapital-Bände braucht, dann unbedingt „Die Einführung in die politische Ökonomie“ von Holger Wendt. 

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